Lafarge CEO im Interview
Wir haben mit Lafarge Österreich CEO Berthold Kren über die spannenden Entwicklungen im Bereich der Nachhaltigkeit gesprochen.
Welche Aktivitäten setzt Lafarge im Bereich der Nachhaltigkeit?
Begonnen hat unser Engagement auf Konzernebene im Jahr 2017, als wir uns zu den Pariser Klimazielen und zur Einhaltung des 1.5-Grad-Ziels bekannt haben. In Erinnerung geblieben ist mir dabei die Ansprache vom Aufsichtsratsvorsitzenden Beat Hess, der über weite Teile seiner Rede die Bedeutung der Nachhaltigkeit hervorgehoben hat. Wir waren damit die ersten in unserer Branche, die ein deutliches Zeichen gesetzt haben. In weiterer Folge wurde für jedes Land und jede operative Einheit eine individuelle Nachhaltigkeitsstrategie inklusive einer Roadmap ausgearbeitet.
Der aktuelle Zyklus von Lafarge heißt Accelerate Green Growth, dabei geht es in erster Linie um grünere Produkte. Wir sind der Überzeugung, dass ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz nicht im Widerspruch zum unternehmerischen Erfolg steht. Viel mehr nehmen wir es als Chance zur Veränderung wahr. Wir möchten mit unserem Engagement den CO2-Fußabdruck reduzieren, sparsamer mit Wasser umgehen und die Biodiversität durch Renaturierungen fördern. Für uns spielt das Thema Kreislaufwirtschaft eine große Rolle. Daher haben wir mit dem Recycling von Produkten begonnen. Mittlerweile wird 20% des Materials in unseren Anlagen rückstandsfrei verwertet. Dadurch fördern wir den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und die Dekarbonisierung.
Die Zementindustrie im Allgemeinen und wir als Lafarge sind in Österreich im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Die Herstellung von Zement und in weiterer Folge Beton erfolgt aus gebranntem Kalkstein. Dieser Prozess ist chemisch bedingt CO2-intensiv. Dennoch versuchen wir ihn laufend bei gleichbleibend hoher Qualität zu verbessern. Die Sektoren lassen sich dabei in die sogenannten 5C aufteilen, die wir in unserer Strategie berücksichtigen: Clinker (Klinker), Cement (Zement), Concrete (Beton), Construction (Bauen) und Carbonation (Karbonisierung). Unsere Aktivitäten werden von der Science Based Targets Initiative überwacht. Dabei ist kein Offsetting (deutsch: Verrechnung) erlaubt. Wir können unsere Aktivitäten nicht ausschließlich durch Aufforstungsprojekte ausgleichen. Viel mehr wird der Prozess ganzheitlich betrachtet und optimiert.
Wir setzen uns damit auseinander, wie wir den Betoneinsatz verringern und gleichzeitig die Qualität erhöhen können. Es gibt Systeme, mit denen man in der Decke eines Gebäudes durch Hohlräume im Beton 20% – 40% Volumen einsparen kann. Weniger Material bedeutet automatisch eine Reduktion von CO2. Zudem nehmen wir Schritt für Schritt die Produkte mit einem hohen CO2-Ausstoß aus dem Portfolio und ersetzen sie durch CO2-sparsamere Alternativen wie ECOPlanet und ECOPact. Es freut uns besonders, dass dieses Bemühen auch von Kundenseite geschätzt und honoriert wird. Die Nachfrage nach klimafreundlicheren Produkten ist groß.
Warum ist Beton nachhaltiger als viele Menschen denken?
Es ist kein Geheimnis, dass die Zementproduktion einen großen CO2-Ausstoß hat. Die Zementindustrie macht weltweit 4% des weltweiten CO2-Ausstoßes aus. Dieser Verantwortung müssen wir uns stellen. Dennoch sollte man den Produktlebenszyklus als Ganzes betrachten. Holz wird beispielsweise oftmals unter nicht nachhaltigen Bedingungen angebaut und aus entfernten Ländern importiert. Im Gegensatz dazu sind Zement und Beton regional verfügbar. Der durchschnittliche Aktionsradius von Zement liegt bei etwa 60 Kilometer. Beim Beton sind es unter 20 Kilometer, in Wien sogar unter 10 Kilometer.
Jeder Baustoff hat seine spezifischen Eigenschaften. Beton hat gegenüber anderen Materialien wie Ziegel, Stahl, Glas und Holz einige Vorteile. Beim Hausbau entstehen 70% des CO2-Ausstoßes durch die Bewirtschaftung nach dem Bau. Beton punktet durch seine Langlebigkeit. Das Material kann zudem Energie speichern und dadurch für lang anhaltende Wärme und Kühlung sorgen. Beton ermöglicht es in die Höhe und in die Tiefe zu bauen, wodurch der Flächenverbrauch reduziert wird. Da es sich um ein Naturprodukt handelt, ist eine vollständige Rezyklierbarkeit gegeben.
Wie stehen Sie zum Thema Bodenversiegelung?
Wir werden in der öffentlichen Wahrnehmung oft als die Zubetonierer wahrgenommen. Jeden Monat wird weltweit eine Fläche von New York neu gebaut. Dieser Pfad lässt sich kaum abwenden, denn es handelt sich hierbei vor allem um Entwicklungsländer, denen es an Basisinfrastruktur wie Kanalisationen, Wasseraufbereitung, Brücken, Eisenbahnen und Häfen fehlt. Diese benötigte Menge kann man durch keinen anderen Baustoff ersetzen. Zur Veranschaulichung: Die momentan verwendete Holzmenge macht weniger als 1% des Bedarfs aus.
Ich sehe das Thema Flächenverbrauch vor allem in der Verantwortung der Politik und den jeweiligen Gemeinden. Durch eine entsprechende Planung bei der Flächenwidmung kann man dieser Problematik entgegen wirken. Unabhängig davon nehmen wir unsere Verantwortung wahr. Hier spielt vor allem die Nutzung von stillgelegten Steinbrüchen eine wichtige Rolle. Manche werden als Deponie verwendet, wodurch sie sinnvoll genutzt werden und Platz eingespart werden kann. Bei anderen werden in enger Abstimmung mit Naturschutzorganisationen Renaturierungsprojekte umgesetzt. Dies erfolgt unter anderem durch Rückschüttung und das Anlegen von Trockenwiesen. Dadurch kann wieder ein Ökosystem für Flora und Fauna entstehen. Ein Beispiel sind die steilen Hänge des Steinbruchs, sie bieten Nistplätze für Vogelarten.
Wie sieht es bezüglich Innovationen aus?
Hier tut sich sehr viel. Im Bereich der Dekarbonisierung wird an neuen Zementtypen mit einem geringeren Klinkeranteil geforscht. Durch diese High-Performance Produkte lassen sich dünnere Tragelemente umsetzen. Es gibt mittlerweile sogar flexible Betonplatten. Ein-Korn Betone weisen eine Durchlässigkeit von Wasser auf, wodurch es in die Erde gelangen und auch wieder verdunsten kann. Betone mit eingebauten Induktionsschleifen ermöglichen das Laden von E-Bussen. Im Hochwasserschutz sind besonders harte Varianten gefragt.
Ein weiteres Thema sind bionische Strukturen. Ähnlich wie bei einem menschlichen Knochen sind sie innen hohl und kombinieren dadurch eine hohe Festigkeit mit einem geringeren Materialaufwand. Einsatzgebiete sind zum Beispiel künstliche Korallen, die im Meer versenkt werden und verschiedenen Arten einen neuen Lebensraum bieten. Auch im Bereich des 3D-Drucks tun sich Neuigkeiten. Gemeinsam mit der Strabag haben wir ein Bürohaus auf Basis dieser Technologie umgesetzt. In Kenia haben wir mit 14 Trees ein Social-Housing Projekt. Die hohe Standardisierung des 3D-Drucks ermöglicht eine günstige und einfache Umsetzung.
Sie sind Vorsitzender bei der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie und bei CEOs for Future aktiv. Wie ist es dazu gekommen?
Im Juni 2022 habe ich mit einem einstimmigen Beschluss die Präsidentschaft der Vereinigung der Österreichischen Zementwerke übernommen. Zuvor hat der Salzburger Kollege Mag. Rudolf Zrost 14 Jahre lang diese Funktion verantwortet. Es ehrt mich sehr, die Österreichische Zementindustrie vertreten zu dürfen. Wir haben gemeinsam eine Roadmap definiert. Wir beschäftigen uns mit den Themen Carbon Capture and Storage (CCS) und Carbon Capture and Utilization (CCU). Im ersten Fall wird der Kohlenstoff gebunden und gelagert, im zweiten Fall wird der Kohlenstoff gebunden und genutzt. Das Problem: CCS ist in Österreich aktuell gesetzlich nicht erlaubt, CCU wird von der Europäischen Union nicht anerkannt. Wir hoffen dass sich hier bald etwas verändert. Unsere Herausforderung als Verband besteht darin, unsere technischen Lösungen und unsere Anliegen leicht verständlich zu kommunizieren.
Zu den CEOs for Future bin ich durch eine Einladung von Wolfgang Anzengruber (Anmerkung: ehemaliger Vorstandsvorsitzender vom Verbund) gekommen. Der Verein ist ein Zusammenschluss von aktuell rund 50 Entscheidungsträgern, die verstanden haben dass dringend etwas getan werden muss. Wir treffen uns regelmäßig und tauschen uns laufend aus. Einige wichtige Themen sind die Lehrlingsinitiative, der CO2-Preis sowie die Wasserstoff- und Förderstrategie der Regierung. Zudem dient CEOs for Future als Plattform und gemeinsames Sprachrohr.
Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Unternehmens in Bezug auf Nachhaltigkeit?
Wir als Lafarge haben in der Strategie verankert, bis 2050 bei Net Zero angelangt und somit klimaneutral zu sein. In Österreich sind wir aufgrund der gesetzlichen Anforderungen dazu verpflichtet, dieses Ziel bis 2040 zu erreichen. Das ist eine große Herausforderung, die wir allerdings nicht scheuen. Wir sehen es als Chance für unser Unternehmen, diesen Transformationsprozess aktiv zu gestalten.
Vielen Dank für das Interview und den spannenden Einblick in die aktuellen Entwicklungen von Lafarge! Hat dir unser Beitrag gefallen? Dann melde dich für unseren Newsletter an, um nichts zu verpassen!
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