Lieferkettengesetz: Gut gemeint, gut gemacht?
Das Lieferkettengesetz ist politisch und medial ein großes Thema. Wir werfen einen Blick auf die Hintergründe und Herausforderungen.
Warum ein Lieferkettengesetz?
Das Lieferkettengesetz ist mit der Idee verbunden, dass Unternehmen auch für Lieferanten und deren Praktiken verantwortlich sind. Es soll einen rechtlichen Rahmen schaffen, damit Umweltschutz und Menschenrechte entlang der Lieferkette eingehalten werden. Bei Verstößen gibt es ein Strafgeld.
Ziele des Lieferkettengesetzes
Das Gesetz verfolgt drei zentrale Ziele, die von Unternehmen sichergestellt werden sollen.
Menschenrechte schützen: Ein Hauptziel des Lieferkettengesetzes besteht in der Sicherstellung von Menschenrechten in der gesamten Produktionskette. Dies umfasst den Schutz von Arbeitenden vor Ausbeutung, Diskriminierung und unsicheren Arbeitsbedingungen.
Umweltschutz fördern: Ein weiterer Aspekt zielt auch darauf ab, Umweltschäden zu minimieren. Dies schließt Maßnahmen ein, die den ökologischen Fußabdruck von Produkten reduzieren und den verantwortungsbewussten Umgang mit natürlichen Ressourcen gewährleisten.
Transparenz erhöhen: Unternehmen werden aufgefordert, transparenter zu berichten. Dadurch soll es Verbrauchern vereinfacht werden, bewusstere Kaufentscheidungen zu treffen und den Druck auf Unternehmen zu erhöhen, um ethischere Praktiken zu verfolgen.
Negative Beispiele
In letzter Zeit stand Volkswagen in der Kritik. In einem Werk seien uigurische Zwangsarbeiter eingesetzt worden. Der Konzern wolle an dem Engagement in der Region festhalten. Richtlinien würden eingehalten. Dennoch ist die Investition in der Region problematisch. Weitere westliche Firmen stehen ebenfalls in der Kritik. Hewlett-Packard, Dell, Apple, Nintendo, Microsoft und Sony beziehen ihre Produkte von Foxconn. Das Unternehmen wurde medial bekannt, da sich Mitarbeitende aus der Firma stürzten und damit Selbstmord begingen. Anstatt an konkreten Lösungen zu arbeiten wurden Netze gespannt um die Stürze abzufangen.
Herausforderungen und Kritik
Trotz der guten Absichten des Lieferkettengesetzes gibt es viel Kritik. Einige Experten argumentieren, dass die Einhaltung der Standards belastend wirkt und den Standort gegenüber anderen Regionen schwächt. Ein weiterer Kritikpunkt ist die schwere Kontrolle in der Praxis. Wie soll man das Verhalten des Lieferanten und seiner Sublieferanten überprüfen? Wenn dies nicht möglich ist, würde das Lieferkettengesetz weitere Bürokratie bedeuten. Viele Unternehmen finden es unmöglich, für diese nicht nachvollziehbaren Verstöße auch noch Strafen davon zu tragen. Zudem würden sie in Generalverdacht gestellt werden, sich nicht um die Belange der Umwelt und Menschenrechte zu kümmern.
Mögliche Lösungen
Findige Start-Ups arbeiten bereits mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz an Lösungen. Es werden Medienberichte automatisiert auf Skandale analysiert. Dadurch sollen Unternehmen einen Überblick erhalten und mögliche Probleme frühzeitig erkennen können. Vor allem dort, wo Unternehmen eine Einkaufsmacht aufgrund hoher Bestellmengen haben, könnten sie aktiv Druck ausüben und bessere Bedingungen einfordern. In anderen Fällen wäre ein Wechsel des Lieferanten eine Option.
Situation in Deutschland
In Deutschland ist mit 11.06.2021 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) beschlossen worden. Es betrifft Unternehmen die in der Regel mehr als 1.000 inländische Mitarbeitende haben. Sie haben im Zuge der Umsetzung Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Dabei geht es um keinen konkreten Erfolgsnachweis. Viel mehr soll sichergestellt werden, dass sie in angemessenem Umfang Vorkehrungen treffen müssen, um die Verletzung des Gesetzes zu verhindern. Die Strafen liegen bei bis zu 800.000€. Bei Unternehmen mit über 400 Millionen Euro Umsatz liegt der Strafrahmen bei bis zu 2% des globalen Umsatzes.
Situation in Österreich
In Österreich setzen sich zivilgesellschaftliche Initiativen seit 2016 für das Gesetz ein. Die Koordination wird vom Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe) getragen und von NGOs unterstützt. Ein Volksbegehren erreichte über 120.000 Unterschriften. Aktuell wird eine Umsetzung diskutiert.
Situation in der Schweiz
In der Schweiz wird ebenfalls über strengere Sorgfaltspflichten beraten. Von 120 Organisationen wurde eine Konzernverantwortungsinitiative gestartet. Am 29. November 2020 wurde sie in einer Abstimmung abgelehnt. Weitere Entwürfe werden beraten. Indirekt sind Schweizer Unternehmen bereits jetzt durch das Deutsche Gesetz betroffen, auch wenn sie dort keinen Standort haben. Wenn ein Schweizer Unternehmen ein Unternehmen in Deutschland mit über 1.000 Mitarbeitenden beliefert, wird es vom dortigen Gesetz in der Lieferkette erfasst.
Streit in der EU
In letzter Zeit wurde über das EU-Lieferkettengesetz beraten. Es betrifft Unternehmen mit über 500 Mitarbeitenden und mehr als 150 Millionen Euro Umsatz. In manchen Branchen wie Textil, Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Lebensmittel, Chemie und der Gewinnung von Mineralien gelten strengere Regeln. Hier sind Unternehmen bereits ab 250 Mitarbeitenden und 40 Millionen Euro Umsatz betroffen.
Die Richtlinie scheiterte zuletzt aufgrund der fehlenden Mehrheiten. Einige Staaten haben Bedenken, wie das Gesetz konkret umgesetzt wird. Der Vorschlag könnte scheitern. Eine Option wäre ein Kompromiss, in dem man zum Beispiel sichere Regionen, Herkunftsländer oder Produzenten definiert. Diese wären dann von der Regelung ausgenommen.
Fazit
Insgesamt bietet das Lieferkettengesetz die Möglichkeit, einen positiven Wandel in der globalen Wirtschaft herbeizuführen und sicherzustellen, dass Wohlstand nicht auf Kosten von Mensch und Umwelt erzielt wird. Doch die Umsetzung ist komplex und noch nicht in allen Einzelheiten geklärt. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Vielleicht bringt der technische Fortschritt in Form von künstlicher Intelligenz die praktikabel umsetzbare Lösung. Die Zukunft wird zeigen, wie es weiter geht und ob sich europaweit Mehrheiten finden.
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