Obdachlosigkeit
Obdachlosigkeit ist ein ernst zu nehmendes Thema. Betroffene leiden im Winter nicht nur an den niedrigen Temperaturen, sondern auch an der sozialen Kälte.
Eine Mutter zieht ihren Sohn weg von einem offensichtlich obdachlosen „Sandler“. Verwahrlost, alkoholisiert, ungeduscht und mit Sicherheit gefährlich. Ein stereotypes Szenario, jedoch nicht mehr ganz zeitgemäß. Obdachlosigkeit und Armut haben viele Gesichter. Die Leiterin des Neunerhauses gibt zu bedenken, dass es den ,,klassischen Obdachlosen“ nur noch selten gibt. Die Schere zwischen arm und reich öffnet sich immer weiter. Wer darunter leidet? Die Mittelschicht. Schätzungsweise gibt es in Wien rund 1.200 Menschen, die trotz Erwerbstätigkeit wohnungslos leben.
Leben auf der Straße nimmt zu
Die Obdachlosigkeit in der gesamten EU (Norwegen und Finnland ausgenommen) wächst. Auch in Österreich steigen die Zahlen stetig. Aktuell leben rund 15.000 ÖsterreicherInnen ohne Dach über dem Kopf – ein Drittel mehr als noch vor 10 Jahren. Der Großteil lebt in Wien. In Salzburg und Graz wohnen jeweils etwa 2.000 Menschen ohne Obdach. Die Dunkelziffer ist jedoch weitaus höher.
Doch was ist Obdachlosigkeit überhaupt?
Als obdachlos werden Menschen bezeichnet, die ohne Unterkunft auf der Straße oder auf öffentlichen Plätzen leben. Dazu zählen auch all jene in Wärmestuben, Notschlafstellen oder ähnlichen Unterkünften. Unter Wohnungslosen versteht man hingegen Personen, die keine eigene Wohnung haben und vorübergehend bei Bekannten übernachten bzw. ein Angebot der Wohnungslosenhilfe in Anspruch nehmen.
Die Gründe
Die Ursachen für Obdachlosigkeit sind vielfältig. Strukturell sind vor allem in den letzten Jahren die steigenden Wohnkosten dafür verantwortlich. Wohnmöglichkeiten mit niedrigeren Standards und zu günstigeren Preisen gibt es nur noch sehr selten. Laut einer Umfrage sind über 11% mit den Wohnkosten überfordert. Individuell sind oftmals Menschen nach der Scheidung betroffen. Vor allem Männer müssen nach der Scheidung häufig die Wohnung verlassen und stehen dann vor dem Nichts. Ohne Ersparnisse sind Anfangsinvestitionen, Kaution und Provision oft unüberwindbar.
Hilfe und Ablehnung
Oft müssen Obdachlose nicht nur mit winterlicher, sondern auch mit sozialer Kälte kämpfen. Regierungen verschärfen die Verbote und verbannen Wohnungslose von öffentlichen Plätzen. In Ungarn ist es beispielsweise erlaubt „obdachlosenfreie Zonen“ zu schaffen. Weiters sorgt die ungarische Regierung mit dem Verbot Hütten zu bauen für Aufruhr. Die Regierung spricht, trotz Kritik des Europarats, von Hilfsmaßnahmen. Circa 11.000 Notschlafstellen sollen die rund 30.000 Obdachlosen beherbergen.
Wien, lebenswerteste Stadt
Im Vergleich zu Ungarn scheint Österreich ein Schlaraffenland zu sein. Unter dem Titel „Ist Wien auch für obdachlose Menschen die lebenswerteste Stadt?“ veröffentlichte das Magazin Vice einen Beitrag. Einer der Betroffenen im Vice Interview: „Wien ist von all den Städten die Allerbeste. Das ist eine Tatsache. Ich will nichts von Wien, das sag ich also wirklich aus Überzeugung. Das weiß ohnehin jeder, dass Wien am Besten ist.“
Wien schenkt Wärme
In Wien gibt es tatsächlich von Versicherung bis zu diversen Hilfsprojekten viele Möglichkeiten Hilfe zu bekommen. ,,In Österreich, zum Beispiel bei der Caritas, werden wir wie Menschen behandelt“, sagt ein gebürtiger Ungar im Vice Interview und erinnert sich an vergangene Zeiten, wo er um Essen kämpfen musste. Nachtquartiere und Akutherbergen bieten Unterschlupf für alle, die keine Wohnung haben. Die Wiener Wohnungslosenhilfe bietet von November bis April extra Unterkünfte an. Zahlreiche Tageszentren bieten Menschen ohne Obach einen Rückzugsraum und das Kältetelefon bietet Passanten die Möglichkeit, Menschen auf der Straße vor dem Erfrieren zu retten.
Unmenschliches zwischen Menschen
Das Leben auf der Straße ist keine bewusste Entscheidung. Viele sprechen von Scham und trauen sich nicht um Hilfe zu fragen. Im öffentlichen Raum steht Diskriminierung, Herabwürdigung und Kriminalität oft an der Tagesordnung. Vice zitiert einen Betroffenen und schreibt ,,Das Allerschlimmste ist, wenn junge Männer kommen und uns anpinkeln und lachen. Meinen behinderten Sohn haben sie gezwungen, Schnaps zu trinken.“
Wärme schenken
Viele Organisationen leisten bereits wichtige Beiträge um Armut und Obdachlosigkeit zu bekämpfen. Um Menschlichkeit weiterhin in der Vordergrund zu stellen ist auch jede/r Einzelne von uns gefragt. Ein ehrliches Lächeln, ein paar Euro oder einfach einmal dem Augustin Verkäufer einen Kaffee mitbringen? Es sind die kleinen Dinge im Leben, die den Unterschied machen.
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