Jane Goodall im Interview
Wir durften die weltbekannte Verhaltensforscherin von Schimpansen und Umweltschützerin Jane Goodall interviewen.
Wie sind Sie zur Affenforschung gekommen?
Bereits als Kind hatte ich den Wunsch, möglichst viel über die Tierwelt, über unseren Planeten und unsere Umwelt zu wissen. Ich wollte nach Afrika. Dafür habe ich hart gearbeitet und immer fest daran geglaubt, dass eines Tages dieser Wunsch Realität wird. Afrika galt als der schwarze Kontinent und ein junges Mädchen alleine im Dschungel war schlicht undenkbar. Doch ich habe an meinem Traum festgehalten und schließlich den Paläontologen Louis Leakey kennengelernt. Er hat mir angeboten im Gombe Nationalpark im heutigen Tansania die damals noch weitgehend unerforschten Schimpansen zu beobachten – und ich habe diese Chance genutzt.
Warum haben Sie das Jane Goodall Institut gegründet?
Das war 1977. Ich wollte die Schimpansenforschung fortsetzen und die Bemühungen zum Schutz, zur Erhaltung und zur Umwelterziehung von Schimpansen ausweiten. Das ging am besten mit einer Organisation die meinen Namen trug. Ende der 1980er Jahre beschloss ich, meine wissenschaftliche Tätigkeit in Gombe zu reduzieren, um Vorträge über meine Arbeit und den Schutz der Schimpansen zu halten.
Was macht das Jane Goodall Institut?
Wir setzen uns für das Überleben von Schimpansen und anderer Primaten durch gemeinschaftszentrierten Natur- und Artenschutz sowie die Förderung des respektvollen, nachhaltigen Umgangs mit Menschen, Tieren und der Natur ein. Mir war schon bald nach der Gründung des Instituts klar: dies kann nur Hand in Hand mit den Menschen vor Ort, also rund um den Nationalpark Gombe, gemeinsam funktionieren. Denn sie hatten selbst kaum Ressourcen, mussten Holz für Feuer und Häuser im Wald schlägern, gingen auf Jagd und fällten Bäume, um etwas anzubauen. Es kam zu großen Rodungen rund um den Nationalpark. Erosionen waren die Folge und die natürlichen Ressourcen für die Bevölkerung wurden knapp. Auch der Lebensraum der Schimpansen schrumpfte. Mit dem Jane Goodall Institut initiierten wir 1994 das Lake Tanganyika Catchment Reforestation and Education Project – abgekürzt TACARE. Das ganzheitliche Konzept dieses Projekts ist bis heute die inhaltliche Grundlage für viele Projekte der Jane Goodall Institute. Die Förderung von Hilfe zur Selbsthilfe sowie nachhaltiger Lebensweise und Umweltschutz stehen dabei im Mittelpunkt. Mensch, Tier und Natur sind eine Einheit. Dies versuchen wir zu vermitteln und in unseren Projekten umzusetzen.
Was waren die größten Herausforderungen?
Für mich persönlich waren es die Vorbehalte, mit denen ich mich am Beginn meiner wissenschaftlichen Karriere konfrontiert sah. Ich hätte den Schimpansen keine Namen, sondern Nummern geben sollen, Tiere würden über keine Emotionen verfügen wie von mir beschrieben – kurz ich hätte wissenschaftlich betrachtet alles falsch gemacht, sagte man mir an der Uni. Schockierend war für mich auch zu sehen wie gewalttätig Schimpansen Krieg führen und wie bedrohlich sie für Menschen werden können. Zu den größten Herausforderungen zählt sicher auch der Überfall der Rebellen auf unsere Forschungseinrichtung in Gombe. 1975 wurden drei Studenten die aus Stanford zu uns kamen vom afrikanischen Rebellenführer Laurent Kabila entführt und als Geiseln gehalten. Sie kamen letztlich wieder frei, dennoch war es furchtbar für das ganze Team. Kabila wurde später Präsident der Demokratischen Republik Kongo.
Was waren die schönsten Momente?
Da gibt es Viele, denn es gibt so Vieles, was mich begeistert. So zum Beispiel, den jährlichen Vogelzug der Kraniche in Nordamerika. Ich verbringe dann immer einige Tage bei einem Freund, mit dem ich stundenlang diese Tiere beobachten kann. Unvorstellbar diese Geräuschkulisse und diese Fülle an Kranichen. Zu den schönsten Momenten zählen auch die Tage, die ich alleine im Regenwald Tansanias verbringen durfte. Wie ich mich dort fühlte gibt mir bis heute Kraft und wo immer ich bin gehe ich gerne im Wald spazieren um die Atmosphäre einzusaugen. Ein besonderes Erlebnis, dass ich sicher nicht missen möchte und das zu den wichtigsten in meinem Leben zählt, fand auch in Gombe statt: das erste Mal als ich dort Schimpansen sah und sie Vertrauen zu mir gewannen. Meine erste Begegnung mit David Greybeard und meine Beobachtung im Oktober 1960, dass Schimpansen Werkzeuge herstellen und benutzen. Diese Erlebnisse veränderten nicht nur die wissenschaftlichen Erkenntnisse über Schimpansen, sondern mein gesamtes Leben.
Was sind Ihre Ziele und Träume für die Zukunft?
Mein größter Traum für die Zukunft ist, dass wir unseren Intellekt nutzen um so große Herausforderungen wie die Klimakrise und ihre Folgen zu meistern und unser Herz öffnen um respektvoll mit Menschen, Tieren und der Natur umzugehen. Heutzutage sind viele Leute deprimiert und hoffnungslos, darunter auch sehr viel Junge. Sie glauben nicht an eine positive Zukunft. Aufgrund der vielen negativen Meldungen und Geschehnisse reagieren sie mit Zorn und Hoffnungslosigkeit. Viele Menschen fragen mich: Jane, wie kannst du bei all den Problemen von Kriegen bis zum Verlust der Artenvielfalt positiv in die Zukunft blicken? Ich sage dann: wir dürfen nicht vergessen, dass jeder und jede von uns eine entscheidende Rolle spielt. Jeder kleine Schritt zählt und gemeinsam können Menschen viel bewegen. Jede unserer Tätigkeiten, jedes Verhalten hat eine Auswirkung auf diese Welt. Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein. Es ist aber notwendig nicht nur seine Einstellung zu ändern, sondern auch sein Verhalten. Ich halte viele Vorträge, insbesondere auch vor Kindern und Jugendlichen. Ihnen sage ich: ihr seid meine größte Hoffnung für die Zukunft. Wir müssen den Kindern zur Seite stehen. Sie unterstützen in ihren Ideen und ihrem Tun. Damit sie selbstsichere, engagierte Menschen mit offenen Herzen und dem Blick fürs Wesentliche werden. Das ist mein Ziel. Und in den vielen Roots & Shoots Gruppen erlebe ich, wie vieles davon wahr wird.
Wo können Interessierte mehr erfahren?
In Österreich gibt es seit bald 20 Jahren das Jane Goodall Institute Austria. Ein engagiertes Team setzt sich dort für unsere Vision einer lebenswerten Welt ein – mit ganz konkreten Projekten in Afrika und Bildungsprojekten in Österreich. Unter www.janegoodall.at gibt es regelmäßig News aus unseren Arbeitsbereichen, über unsere Projekte zum Schutz der Schimpansen, zur Aufforstung und Bildung und wie man uns unterstützen kann.
Liebe Jane Goodall, vielen Dank für das Interview und die spannenden Einblicke! Hat dir unser Beitrag gefallen? Dann melde dich für unseren Newsletter an, um nichts zu verpassen!
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